Am 3. September fand der spezielle Dialogue-Abend statt, lesen Sie hier unsere kurze Zusammenfassung.
Spezieller Dialogue-Abend vom 3. September: «Kinderbücher – Was für eine Gesellschaft zeigen sie?», mit Licia Chery, Autorin des Buches «Tichéri a les cheveux crépus».
Der Verein MULTIMONDO organisiert seit 2018 die Veranstaltungsreihe Dialogue, welche an mehreren Abenden im Jahr Menschen mit unterschiedlichen Biografien dazu einlädt sozio-politische Themen zu diskutieren und sich auszutauschen. Bei diesem speziellen Dialogue-Abend für Erwachsene und Kinder hatten wir Licia Chery zu Gast. Ihre Webseite stellt klar, dass sie «macht, was sie will»: sie ist Sängerin, Autorin, Komponistin und Animatorin sowie sehr engagiert gegen Rassismus und für Veränderungen.
Im Jahr 2019 veröffentlicht Licia Chery ihr erstes Kinderbuch, «Tichéri a les cheveux crépus» (Tichéri hat krauses Haar), in dem sie die Geschichte eines kleinen Genfer Mädchens erzählt, das Opfer einer Mikroagression in der Schule wurde. Durch Gespräche mit ihrer Mutter lernt Tichéri, was Diversität bedeutet und wie sie sich in einer Welt positionieren kann, in der ihre Vorbilder ihr nicht immer ähnlich sind. Einerseits entsteht «Tichéri a les cheveux crépus» also aus der Notwendigkeit heraus, den Kindern eine Realität zu zeigen, die bisher in Kinderbüchern nicht dargestellt wurde – die Darstellung verschiedener Realitäten ermöglicht es jedem Kind, ein Vorbild zu haben, das ihm ähnlich ist. Andererseits möchte Licia Chery den Kindern von heute einen Weg geben, um bestimmte rassistische Vorfälle zu verstehen und darauf zu reagieren – etwas, das nicht der Fall war, als sie selbst noch ein Kind war und mit solchen Situationen konfrontiert wurde.
Während des Abends hat Licia Chery uns aus ihrem Buch vorgelesen und führte die anwesenden Kinder in eine Reflexion über Stereotypen, Rassismus und Diversität ein. Anschliessend hielt sie den Erwachsenen eine Präsentation über die Diskriminierung von Schwarzen Menschen und zeigte auf, wie sie zu Veränderungen beitragen können.
Die Beispiele, mit denen Licia Chery uns die Diskriminierung von Schwarzen Menschen nahebringt, sind Vorfälle, die sie seit ihrer Kindheit selbst erlebt hat, aber auch Dynamiken in den Medien und in anderen Lebensbereichen. Diskriminierung kann, wie uns Tichéris Geschichte verdeutlicht, auf körperlichen Merkmalen wie Haaren beruhen, die von weissen Menschen als anders oder nicht der Norm entsprechend wahrgenommen werden (obwohl das Haar von weissen auch anders ist als das von Schwarzen). Das Thema Haare wird besonders deutlich, wenn man berühmte Schwarze Frauen als Beispiel nimmt. Die meisten erfolgreichen Schwarzen Frauen glätten ihr krauses Haar. Ein weiterer Weg, durch den Licia Chery auf diese Diskriminierung aufmerksam wurde, war der Beruf ihrer Mutter. Ihre Mutter war Pflegefachfrau, aber Licia Cherys Lehrerin war überzeugt, dass sie Pflegehelferin war, weil ihrer Meinung nach eine Schwarze keine hochqualifizierte Arbeit verrichten konnte. Dazu prägten vor allem zwei weitere Vorfälle Licia Cherys Kindheit und nahmen ihr die Unschuld: Der erste ereignete sich, als die Eltern eines Kindes äusserten, sie wollten nicht, dass ihr Kind mit einer Schwarzen spielt, und der zweite, als ein Kind während eines Spiels sich vor ihr ekelte.
Abgesehen von diesen Vorfällen, die die Autorin selbst erlebt hat, gibt es auch in anderen Zusammenhängen Diskriminierung von Schwarzen Menschen, wenn auch weniger sichtbar und subtiler. Licia Chery nannte uns das Beispiel einiger britischer Boulevardzeitungen und deren Diskriminierung von Meghan Markle, die Schwarz ist und von den betreffenden Zeitungen völlig anders behandelt wurde als Kate Middleton, die weiss ist. Das Beispiel der Boulevardzeitungen unterstreicht die unterschiedliche Behandlung einer nicht-weissen Person, unabhängig von ihrem Status. Ein weiteres Beispiel, das genannt wurde, ist die fehlende Anerkennung für die wesentlichen Beiträge vieler Schwarzer Wissenschaftler*innen in verschiedenen Bereichen (Gesundheit, Luft- und Raumfahrt, usw.). Die Wissenschaftler*innen, die als Beispiel genannt werden, sind der breiten Öffentlichkeit nicht oder nur wenig bekannt.
Licia Chery merkte schnell, dass es für sie, wie für viele Schwarze, nicht ausreichte, den Durchschnitt anzustreben, sondern dass sie viel mehr anstreben musste, um etwas zu werden. Diese Tatsache muss den Kindern so früh wie möglich vermittelt werden, damit sie die Situation verstehen und lernen, darauf zu reagieren. Es liegt aber vor allem auch an uns allen, sich der Situation zu stellen, sie zu verstehen und dazu beizutragen, sie zu ändern.
Jede*r von uns kann auf Diskriminierung reagieren, und Licia Chery hat uns einige Möglichkeiten aufgezeigt, wie wir Verbündete werden und versuchen können, etwas zu verändern. Als Erstes ist es wichtig, die richtigen Begriffe zu verwenden, wenn wir über das Thema sprechen: Wir sollten uns nicht scheuen, den Begriff «Schwarze*r» zu verwenden, statt uns hinter wenig repräsentativen Begriffen wie «Dunkelhäutige*r» zu verstecken. Wir müssen uns auch bewusst sein, dass nicht alle Schwarzen Afrikaner*innen sind, um weitere Stereotypen zu vermeiden. Vor allem aber ist es wichtig, die Selbstbezeichnungen der betroffenen Personen zu respektieren. Als Zweites müssen wir uns bewusst sein, dass unsere Gesellschaft von systemischem Rassismus geprägt ist und dass wir manchmal, ohne es zu merken oder zu wollen, rassistische Äusserungen machen können. Es ist sinnvoll, zuzuhören, ernst zu nehmen und nicht defensiv zu werden, wenn uns jemand darauf aufmerksam macht, dass eine Handlung oder Äusserung von uns rassistisch ist. In diesem Fall sollten wir diese rassistischen Äusserungen nicht leugnen, sondern uns ihrer bewusst werden, uns besser informieren und dafür sorgen, dass sich etwas ändert. Schliesslich erläutert Licia Chery, wie wichtig es ist, angesichts der vielfältigen Gesellschaft, in der wir leben, eine neue Normalität zu schaffen, zum Beispiel durch Kinderbücher, die es allen Kindern ermöglichen, andere Helden und Heldinnen als die weissen zu sehen.
Obwohl wir das Ziel anstreben sollten, dass alle Menschen als gleichwertig angesehen werden, dürfen wir die bestehenden Unterschiede und die daraus resultierende Ungleichbehandlung nicht leugnen. Diese Unterschiede zu leugnen, würde bedeuten, die Augen vor Diskriminierung zu verschliessen, und würde nicht dazu beitragen, die Dinge zu ändern. Am Ende sind wir alle unterschiedlich, aber wir sind alle gleich viel wert!
Anmerkung zur Schreibweise:
– «Schwarz» wird grossgeschrieben, um sichtbar zu machen, dass es sich um eine soziale Konstruktion und eine Eigenbezeichnung handelt und nicht um das Adjektiv oder die Farbe «schwarz».
– «weiss» wird kursiv geschrieben, um deutlich zu machen, dass es sich um eine politische Beschreibung und nicht um eine Farbbezeichnung handelt.
Dialogue wird unterstützt durch die Stiftung fondia.
