Der 15. Dialogue-Abend fand am Donnerstag, dem 18. November statt, lesen Sie hier unsere kurze Zusammenfassung.
Dialogue-Abend vom 18. November «Diskriminierung im Alltag – Was kann ich tun?» mit Vera Stoll und Giorgio Andreoli vom Gggfon (Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus).
«Diskriminierung im Alltag: Wie handelt man, wenn man Diskriminierung erfährt? Und wenn man sie beobachtet?». So begann Vera Stoll diesen Dialogue-Abend, ein Abend rund um das Thema Diskriminierung.
Bevor wir direkt ins Thema eintauchen, kurz etwas zu Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus (hiernach: Gggfon): Warum wurde diese Stelle gegründet und wie geht sie gegen diskriminierende Handlungen vor?
Gggfon wurde vor 20 Jahren mit dem Anstieg des Rechtsextremismus gegründet. Bei einer 1. August-Feier nahm die Frage, was man dagegen tun kann, viel Raum ein und so wurde Gggfon gegründet. Ihr Ziel findet sich im Namen: Gggfon kämpft Gemeinsam Gegen Gewalt und Rassismus.
Die Beratungs- und Informationsstelle ist in verschiedenen Bereichen tätig: vor allem im öffentlichen Raum, aber auch im privaten Raum durch Einzelgespräche, in der Betreuung von Menschen, die rassistisch diskriminiert werden, sowie in der Unterstützung von Projekten – zum Beispiel in Institutionen, Schulen, usw.
Gggfon handelt immer auf einer gesetzlichen Grundlage und stützt sich dabei insbesondere auf Art. 8 BV (Bundesverfassung), Art. 261bis StGB (schweizerisches Strafgesetzbuch) und Art. 14 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention).
Seine Aufgabe ist es, über die Thematik zu informieren, sie weiterzugeben und zu sensibilisieren, damit sie immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt.
Aber wie geht Gggfon konkret vor? Wenn der Verein eine Meldung zu einem bestimmten Fall erhält, prüft er die Situation und schätzt ein, wo der Konflikt liegt. Bei der Analyse geht es in erster Linie darum, festzustellen, ob ein Notfalleinsatz erforderlich ist und ob Beweise vorliegen oder nicht.
Die Gäste führten einen konkreten Fall an, um veranschaulichen zu können, wie Gggfon in der Praxis vorgeht. Vor einigen Jahren erhielt die Beratungs- und Informationsstelle mehrere Meldungen über Einlassverweigerungen in Lokale und Diskotheken in der Stadt Bern, die auf der Aufenthaltsbewilligung oder der Hautfarbe basierten. Um diesen Meldungen nachzugehen, nahm der Verein zunächst Kontakt mit den Betreibern der betroffenen Lokale auf, was sich zunächst als schwierig erwies. Anschliessend wurde eine Medienkampagne gestartet: Ein Radioprogramm und mehrere Medien verbreiteten die Nachricht und ein*e Parlamentarier*in brachte einen Antrag ein, in dem sie*er die Situation mit der Fussball-Europameisterschaft in Verbindung brachte. Sie*Er wies darauf hin, dass es ein schlechtes Bild abgeben würde, wenn man den Holländer*innen den Zutritt in die Schweiz verweigern würde. Die Grösse der Kampagne ermöglichte eine Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei und dem Parlament, um gemeinsam im Kampf gegen Rassismus vorzugehen. So konnte das Parlament Massnahmen einführen, die bis zum Entzug des Mietrechts für die Betreiber*innen von Lokalen reichten, die weiterhin diskriminierten. Von insgesamt 25 Lokalen änderten schliesslich 20 ihre Praktiken.
Im Laufe des Abends entstand ein Raum für den Austausch zwischen den Teilnehmenden. Mehrere Fragen wurden gestellt, z.B. ob es eine Verjährungsfrist für die Meldung von Fällen gibt. Vor allem im Rechtsbereich gibt es tatsächlich Fristen, die eingehalten werden müssen, während es im Sozialbereich keine gibt. Giorgio Andreoli und Vera Stoll betonten auch die Bedeutung des Netzwerks, das sie umgibt. Denn Gggfon hat in manchen Fällen nicht die ausreichenden Ressourcen, um die Situation zu lösen, und muss daher andere Dienste wie die Polizei, einen psychologischen Dienst, Schulen oder die Fachstelle für Integration einschalten.
Ein weiteres Gggfon-Projekt, das in der Diskussion vorgestellt wurde, heisst Dialogue 3 und wurde nach mehreren Meldungen über Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe durch die Polizei (racial profiling) ins Leben gerufen. Vor den Meldungen wurde diese Praxis aufgrund ihrer Illegalität als nicht existent wahrgenommen. Nach mehreren Warnungen wurde die Polizei jedoch auf die Existenz aufmerksam und es kam zu einer Zusammenarbeit mit Gggfon. Dank dieses Projekts hat eine von der Polizei kontrollierte Person nun die Möglichkeit, sich mit dem betreffenden Polizisten oder der betreffenden Polizistin ausserhalb des gesetzlichen Rahmens auszutauschen. Ein*e Mitarbeiter*in von Gggfon übernimmt die Moderation des Gesprächs, was zu einem anderen Austausch und zu mehr Verständnis zwischen den beiden Parteien führt.
Der wohlwollende Raum dieses Abends ermöglichte es einem*r Teilnehmenden, dem Rest des Publikums von einer Rassismuserfahrung zu berichten, die ihr*sein Kind in der Schule gemacht hatte. Anhand dieses Vertrauens betonte Gggfon, wie wichtig es ist, solche Fälle zu kommunizieren und zu melden, und vor allem, dem Opfer von Diskriminierung oder Rassismus immer zu glauben.
Am Ende des Abends waren eine Atmosphäre der Unterstützung und der Wunsch, gegen Rassismus und die in jedem von uns verankerten Mechanismen zu kämpfen, spürbar. Eine Person betonte, dass dies eine Frage der Generationen sei: Ältere Generationen hätten mehr Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass es Rassismus gibt, während jüngere dies bereits getan hätten. Als Beispiel nannte sie den Geschlechtswechsel: Während dies für junge Menschen immer normaler erscheint, haben Erwachsene noch grössere Schwierigkeiten, dies zu verstehen oder zu akzeptieren.
Abschliessend: Was waren die wichtigsten Erkenntnisse dieses Abends? Es gibt zwei individuelle Massnahmen, die umgesetzt werden müssen: Beobachten und Kommunizieren. Die Zivilgesellschaft ist immer der erste Kontakt, der sieht, aber oft nicht spricht. Damit es zu einer Veränderung und einer Abkehr von rassistischen Praktiken kommt, muss man diese Ungerechtigkeit melden und Zeug*in davon sein.
Wenn Sie selbst betroffen sind, jemanden kennen, der von rassistischer Diskriminierung betroffen ist oder wenn Sie Zeug*in von rassistischer Diskriminierung einer anderen Person sind, wenden Sie sich bitte an Gggfon unter 031 333 33 40.
Dialogue wird unterstützt durch die Stiftung fondia.
