Multimondo

Zusammenfassung 10. Dialogue-Abend

Am 9. Februar fand der zehnte Dialogue-Abend statt, lesen Sie hier unsere kurze Zusammenfassung

Dialogue-Abend vom 9. Februar «Kinder und Bildschirme – wie können wir unsere Kinder unterstützen, Ausgewogenheit zu finden?» Mit André Huegi von Berner Gesundheit.

Der Verein MULTIMONDO organisiert seit 2018 die Veranstaltungsreihe Dialogue, welche an mehreren Abenden Menschen mit unterschiedlichen Biografien dazu einlädt sozio-politische Themen zu diskutieren und sich auszutauschen. André Huegi, Fachberater von Berner Gesundheit im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention, war am 9. Februar unser Gast.

André Heugi leitete eine lebhafte Diskussion zum Thema Kinder und Bildschirme ein, indem er uns einige Hintergrundinformationen zum aktuellen Wissensstand sowie Meinungen von Expert*innen auf diesem Gebiet vermittelte. Wir befinden uns bereits seit einigen Jahren im digitalen Zeitalter, doch in dieser Zeit der Pandemie wurde dies umso deutlicher dadurch, dass viele andere Aktivitäten ausfallen resp. eingeschränkt sind oder neu digital angeboten werden. Laut der Schweizer Umfrage JAMES (Jeunes-Activités-Médias-Enquête Suisse auf Deutsch: Jugendliche-Aktivitäten-Medien-Umfragen Schweiz) aus dem Jahr 2020, die mit Tausenden von Jugendlichen in der Schweiz zwischen 12 und 19 Jahren durchgeführt wurde, besitzen immer mehr Kinder ab 12 Jahren ein Smartphone. Das Problem ist jedoch nicht der Besitz eines Smartphones an sich, sondern dass junge Menschen sich weniger schützen als in der Vergangenheit. So war es auch nicht das Ziel des Abends, diese Entwicklung oder gar das Auftauchen von Bildschirmen in unserem täglichen Leben zu verteufeln, sondern sich der Situation zu stellen und zu lernen, das Digitale für unsere Bedürfnisse und Wünsche sinnvoll zu nutzen. Menschen passen sich seit jeher an gesellschaftliche, politische, ökologische und weitere Veränderungen an. Für unsere Zeit heisst das nun die Balance in Hinblick auf die Digitalisierung zu finden.

Für den Umgang in der Kindererziehung mit digitalen Medien haben verschiedene Expert*innen Empfehlungen abgegeben. Laut dem Psychiater Serge Tisseron und der Psychologin Sabine Duflo ist es sinnvoll, die Nutzung der digitalen Medien dem Alter des Kindes anzupassen und so seine Entwicklung zu berücksichtigen. Sie empfehlen kein TV vor 3 Jahren, kein Spielkonsole unter 6 Jahren, Internet ab 9 Jahre und Soziale Netzwerke ab 12 Jahren. Für ein Kind unter 3 Jahren ist es beispielsweise nicht sinnvoll fernzusehen, da kleine Kinder die Welt mit ihren Sinnen entdecken sollten und diese Art der Entdeckung durch Bildschirme nicht unterstützt wird. Dennoch weist André Huegi darauf hin, diese Leitlinie nicht als starre Regel zu betrachten, sondern immer auch die aktuellen Umstände zu berücksichtigen. Dabei hilft es folgende drei Komponenten zu bedenken: die Bildschirme, das Kind und die Umgebung. Konkret heisst das, dass mitbedacht werden sollte: a) Welchen Nutzen das Kind aus den digitalen Medien ziehen könnte: möchte es mit den Grosseltern in Kontakt treten oder sucht es nach Ablenkung, weil es sich langweilt?; b) Was für das Kind in Bezug auf seine Entwicklung angemessen ist: Das Spiel «Fortnite» könnte einem schüchternen Kind erlauben, seine strategischen Fähigkeiten gegenüber Gleichaltrigen zu zeigen, ein anderes Kind aber gewalttätiger machen; c) Die Umgebung oder der Kontext zum Zeitpunkt: Aus bestimmten Gründen (z.B. Wetter, Krankheit, o.ä.) könnten zwei Stunden Videospiele statt einer erlaubt werden. André Huegi betont auch, wie wichtig es ist, das Kind bei der Nutzung digitaler Medien zu begleiten, es also nicht allein und ohne Bezugspunkte zu lassen. Das bedeutet nicht, dass die Eltern kontrollieren/überwachen sollten, was das Kind tut, sondern dass die Eltern, dem Kind helfen sollten, Medienkompetenzen zu entwickeln. Medienkompetenz bezieht sich dabei auf die vernünftige und bewusste Nutzung (z.B. in Bezug auf das Posten von Fotos, Kontakte übers Internet oder auch der respektvolle Umgang mit anderen Nutzer*innen) und nicht auf die technische Nutzung (wissen wie etwas bedient wird). Das Kind bei der Nutzung von digitalen Medien zu begleiten heisst aber auch, mit dem Kind eine Verbindung und den Dialog aufrechtzuerhalten indem beispielsweise nachgefragt wird, was es geschaut hat oder warum es ein Spiel interessant findet, ohne es dabei abzuwerten oder schlecht zu machen.

Nach dem Input von André Huegi teilten die Teilnehmenden ihre persönlichen Erfahrungen und Bedenken bezüglich digitaler Medien und der Wirkung, die sie auf ihre Kinder haben oder haben könnten: Ist es legitim, Regeln für die Verwendung von Bildschirmen aufzustellen, oder sind wir zu besorgt? Wie kann ein Rahmen gesetzt werden, wenn es auf der anderen Seite den Druck von Gleichaltrigen gibt, die vielleicht mehr Freiheiten im Umgang mit digitalen Medien haben? Wie kann vermeiden werden, dass das Kind aus seiner Gruppe von Freund*innen ausgeschlossen wird, die zwar Videospiele spielen, aber gleichzeitig auch andere Interessen haben? André Huegi hat uns gezeigt, dass es kein Wunderrezept gibt, dass aber in jedem Fall das Setzen eines Rahmens und klarer Regeln für die Nutzung digitaler Medien legitim und notwendig und im Grunde auch ein Liebesbeweis ist. Auch gemäss der Psychologin Sabine Duflo müssen Eltern Kindern mit vernünftigen Regeln helfen ein Gleichgewicht zu finden. Denn Kinder sind (noch) nicht in der Lage, sich selbst zu regulieren, insbesondere im Umgang mit digitalen Medien, die ein hohes Suchtpotenzial haben. Dabei ist es empfehlenswert die drei oben genannten Elemente zu berücksichtigen (die Bildschirme, das Kind und die Umgebung) und die Regeln auch zusammen mit dem Kind zu diskutieren und bei Bedarf weiterzuentwickeln. Durch das Festlegen von Regeln teilen die Eltern ausserdem auch ihre Werte mit dem Kind, was auch sehr wichtig ist.

Am Ende steht immer auch die grosse Frage: «Wie kann man gute Eltern sein?» Elternsein ist nicht immer einfach, versicherte auch André Huegi. Es ist aber hilfreich, sich daran zu erinnern, dass manchmal für das Kind ein «Nein» besser ist als ein «Ja», auch wenn es im Moment schwerer zu akzeptieren ist. Zentral dabei ist, den Kontakt und den Dialog zum Kind zu halten. Sich zu informieren und um seine Kinder zu sorgen, ist bereits ein Schritt in diese Richtung.

 

Dialogue wird unterstützt durch die Stiftung fondia.