
Zusammenfassung 13. Dialogue-Abend
Am 14. September fand der dreizehnte Dialogue-Abend statt, lesen Sie hier unsere kurze Zusammenfassung
Dialogue-Abend vom 14. September: «Von Kindern für Kinder – Konfliktprävention und Ideenentwicklung an Schulen in Zusammenarbeit mit den Kindern?» mit Christiane Daepp vom Ideenbüro.
Der Verein MULTIMONDO organisiert seit 2018 die Veranstaltungsreihe Dialogue, welche an mehreren Abenden im Jahr Menschen mit unterschiedlichen Biografien dazu einlädt, sozio-politische Themen zu diskutieren und sich auszutauschen. Beim Dialogue-Abend am 14. September hatten wir die Ehre, Christiane Daepp als Gast zu begrüssen und ihr Projekt «Ideenbüro» kennenzulernen.
Christiane Daepp begann schon früh mit dem Unterrichten und wandte sich bald dem partizipativen Unterricht zu, bei dem sich die Kinder stärker einbringen konnten. Im Jahr 2002 rief Christiane das « Ideenbüro » ins Leben, das von den Kindern mit Begeisterung aufgenommen und von einigen Lehrpersonen unterstützt wurde. Heute ist Christiane Daepp Vizepräsidentin, Vorstandsmitglied und Multiplikatorin des Ideenbüros für die Region Bern.
Beim Dialogue-Abend hat uns Christiane ihr Projekt vorgestellt und wir haben gemeinsam diskutiert, wie man Kinder, die auf Schwierigkeiten stossen, in der Schule integrieren und ihr Vertrauen gewinnen kann.
Das Projekt «Ideenbüro» entstand in einem schwierigen schulischen Umfeld, in dem Mobbing, Streit und Drohungen an der Tagesordnung waren. Der Handlungsbedarf zur Verbesserung der Situation war bei den Lehrpersonen ebenso präsent wie bei den Kindern. Die Frage war, wie man Kinder, die in der Schule auf Schwierigkeiten stossen, erfolgreich integrieren kann, und wie man ihr Vertrauen gewinnt, um mit ihnen zusammen zu arbeiten. Die Teilnehmenden des Dialogue-Abends wurden aufgefordert, über das Thema nachzudenken und Lösungen vorzuschlagen. Am Ende kamen wir zum Schluss, dass es wichtig ist, in einem Streit oder in einer Situation des Widerstands ein drittes Element einzusetzen (sei es eine dritte Person, ein Spielzeug, ein Spiel, usw.). Im Falle der Schule, in der Christiane Daepp arbeitete, war das dritte Element das «Ideenbüro».
Das Konzept des «Ideenbüro» ist einfach und gleichzeitig revolutionär: Ältere Kinder beraten jüngere Kinder. Sie nehmen die Situation und ihre Verantwortung selbst in die Hand, diskutieren Probleme und versuchen, sie zu lösen, ohne dass ein Erwachsener mit Ratschlägen zur Seite steht. Obwohl eine Lehrerperson oder Sozialarbeiter*in das Projekt leitet und bei schwerwiegenden Problemen anwesend ist, obliegt es den Kindern, die Beratung zu leiten und eine Lösung für jedes Kind zu finden, das um Hilfe bittet. In der Praxis können sich Kinder, die glauben, ein Problem zu haben, mit einem Formular beim Ideenbüro anmelden und werden von den Kindern, die das Ideenbüro ehrenamtlich leiten, zu einem Gespräch eingeladen. Bei diesem Gespräch folgen die Kinder im Ideenbüro einem Protokoll, das ihnen einen ersten Einblick in das Problem und die Wünsche des betroffenen Kindes gibt. Mit diesem Protokoll erkunden die älteren Kinder zunächst die Ursachen des Problems, das Ziel des betroffenen Kindes, sowie die bisher in Betracht gezogenen Lösungen, und schlagen dann verschiedene Lösungen vor, die das betroffene Kind in der folgenden Woche in die Praxis umsetzen soll. Schliesslich vereinbaren die Kinder im Ideenbüro ein weiteres Treffen, um zu überprüfen, ob die vorgeschlagenen Lösungen funktioniert haben und das Problem gelöst werden konnte.
In diesem Prozess sticht vor allem ein Element hervor: das Zuhören. Die Kinder sind eingeladen, ihre Sicht auf das Problem oder den Konflikt darzulegen, während die anderen zuhören, ohne zu reagieren oder zu kommentieren. Danach können die Kinder, die zuhörten, ihren Standpunkt erläutern, und die anderen müssen zuhören.
Die Tatsache, dass das Ideenbüro von Kindern geleitet wird, gibt den anderen Kindern einerseits Sicherheit und das Gefühl, wirklich verstanden zu werden, mehr als bei Erwachsenen, die zu weit von ihrer Welt entfernt zu sein scheinen. Andererseits können ältere Kinder dadurch ihre Kreativität und ihren Idealismus einsetzen, um Probleme zu lösen, die Auswirkungen auf die Schulgemeinschaft haben könnten. Ausserdem wird ihre Arbeit durch die Dankbarkeit ihrer Mitschüler*innen belohnt, was die soziale Anerkennung und damit das Selbstvertrauen stärkt.
Drei Monate nach der Eröffnung des Ideenbüros gab es keine Probleme mehr im Ideenbüro, so dass Christiane Daepp es schliessen wollte. Die Kinder waren damit jedoch nicht einverstanden und wollten die Tätigkeit des Ideenbüros fortsetzen. Daher sind sie mit der Gemeinde in Kontakt getreten und haben gefragt, ob es Probleme gäbe, die sie -die Kinder – lösen könnten: sie haben daraufhin sieben Probleme lösen können! Das Ideenbüro blieb schliesslich geöffnet und wurde zu einem nachhaltigen Angebot zur Konfliktlösung, aber auch zur Lösungs- und Ideenentwicklung allgemein.
Seit 2002 sind an 150 Primarschulen in der Schweiz Ideenbüros eröffnet worden, ausserdem vier in Deutschland und eines in Mexiko. Das Projekt wurde zweimal ausgezeichnet: 2004 mit dem UNICEF Orange Award und 2011 mit dem Klaus J. Jacobs Best Practice Prize für wissenschaftliche Arbeiten von grosser gesellschaftlicher Bedeutung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.
Dieses Projekt zeigt uns, wie wichtig es ist, den anderen zuzuhören und alle Menschen in den Entscheidungsprozess und in die Lösungsfindung einzubeziehen, denn oft sind es die Betroffenen, die ihre Situation und die sie betreffenden Probleme am besten kennen.
Dialogue wird unterstützt durch die Stiftung fondia.